Programm
Donnerstag, 01. Oktober
Konzertsaal der Universität der Künste
Begrüßungsempfang
20:00 Uhr
Ich habe keine Zeit, mich zu beeilen!
Igor Strawinsky - getanzt und gespielt
Tanz und Schauspiel: Michael Ihnow
Buch und Regie: Heike Hanefeld
Kostüm und Bild-Collagen: Barbara Anna Keiner
Er war einer der einflussreichsten und aufregendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts: Igor Strawinsky (1882 - 1971).
Mit seinen Balletten revolutionierte er den Tanz, versetzte die Musikwelt durch wechselnde Stilmittel in Erstaunen,
begeisterte und schockierte das Publikum. Er hinterließ ein beeindruckendes Œuvre, das von üppig instrumentierten
Bühnenwerken bis zu Klavierminiaturen reicht. Als bekennender Kosmopolit reiste er um die Welt, zog von Russland
nach Frankreich, in die Schweiz, die USA; nicht zuletzt auch als Reaktion auf die politischen Ereignisse jener Zeit.
Michael Ihnow spielt, tanzt und spricht Igor Strawinsky - den aufstrebenden, jungen Mann; den selbstbewussten,
erfolgreichen Komponisten; den alten, scharfzüngigen Grandseigneur. Seine Kunst- und Lebensreflektionen verbinden
sich mit Musik verschiedener Schaffensphasen, darunter "Ragtime", "Acht Miniaturen" und "Dumbarton Oaks". Bild-Collagen
von Barbara Anna Keiner illustrieren die wechselnden Stationen von Strawinskys Biographie.
Im Anschluss daran:
Sektempfang
Teilnahme für Kongressteilnehmer kostenfrei –
Eine Begleitperson möglich: Kostenbeitrag € 10
Wir bitten um vorherige Anmeldung
Freitag, 02. Oktober
Konzertsaal der Universität der Künste
Moderation: Susanne Walz-Pawlita
09:15 Uhr
Begrüßungen
09:30 – 10:30 Uhr
Symbolische Virulenz. Zur Sprache und Interaktion von (Bild)Körpern
– Diskussion
Marion Lauschke
Bilder können als Zeichen verstanden werden und dennoch körperlich affizieren. Ästhetische Erfahrung changiert zwischen der Wahrnehmung eines Objekts und der Wahrnehmung leiblicher Prozesse, die durch die Objektwahrnehmung initiiert werden. Der Vortrag untersucht die relationalen Prozesse der ästhetischen Erfahrung.
10:30 – 11:00 Uhr
Pause
11:00 – 12:00 Uhr
Zwischenleiblichkeit und Körperbild: das Körpererleben in der Beziehung
– Diskussion
Joachim Küchenhoff
Den natürlichen Körper gibt es nicht und hat es nie gegeben; der physische Zustand ist immer und notwendig
geprägt von soziokulturellen Zeichen und von persönlichen Vorstellungen. Die gegenwärtig aktuelle Debatte um
embodiment und embodied self macht einmal mehr deutlich, dass Körper und Selbst nicht voneinander zu trennen sind,
sondern eine – wie spannungsreich auch immer erlebte und präkere – Einheit bilden, die wir im Deutschen Leib
nennen können. Ebenso sehr muss freilich hinterfragt werden, ob das Körpererleben losgelöst von zwischenmenschlichen
Begegnungen und Beziehungen adäquat erfasst werden kann. Das Erleben des individuellen körperlichen Selbst ist
eingebettet in die Erfahrung der „Zwischenleiblichkeit“ und entsteht erst aus dieser geteilten leiblichen Erfahrung.
Auch das Verhältnis von körperlichem Selbst und Zwischenleiblichkeit ist spannungsreich und muss immer neu ausgeglichen
werden.
Seelisches Leiden kann nun zum einen damit einhergehen, dass der Leib dauerhaft zum Körper objektiviert wird,
wodurch die Einheit des verkörperten Selbst auseinanderfällt und die Leiblichkeit als entfremdet erlebt wird.
Seelisches Leiden kann zum anderen damit zu tun haben, dass die Spontaneität zwischenleiblicher Verbindungen
als Gefahr und Bedrohung erlebt wird, vor der es sich zu schützen gilt.
Embodied self und Zwischenleiblichkeit sind bei schweren seelischen Störungen (sog. psychosomatische Leiden,
psychotische Störungen u.a.) gefährdet; körperbezogene Symptome lassen sich im Kontext dieser Gefährdungen
psychodynamisch verstehen.
12:00 – 13:00 Uhr
Lachen, Weinen, böse Blicke. Was sagt uns das und was macht das mit uns?
– Diskussion
Cord Benecke
Zu den wichtigsten „körpersprachlichen Äußerungen“ zählen sicher nonverbale Affektausdrücke, wie beispielsweise Lachen und Lächeln, Weinen und aggressive Signale, aber auch dyadische Synchnronisierungsprozesse auf körperlicher Ebene spielen eine wichtige Rolle. Im Vortrag wird der aktuelle Stand der Forschung zur „Bedeutung“ und zur „Wirkung“ solcher Signale und Prozesse im klinischen Setting zusammengefasst. Abschließend wird ein Modell des therapeutisch fruchtbaren Zusammenspiels unterschiedlicher kommunikativer Ebenen entworfen.
ab 14:30 Uhr
Im Anschluss:
Interne Sitzungen (Logenhaus)
Samstag, 03. Oktober
Konzertsaal der Universität der Künste
Moderation: Bernhard Janta
09:30 – 10:30 Uhr
Sozialpsychosomatik – Das verlorene Soziale in der Psychosomatik
– Diskussion
Elmar Brähler
Seit dem Ende der 70-er Jahre wird in der Psychosomatik das biopsychosoziale Paradigma bei allen Festreden in der Psychosomatik und auch in allen Lehrbüchern gefeiert als zeitgemäßes Konzept. Dies ist es sicherlich auch, aber bei der psychosomatischen Forschung und Praxis ist vor allem die soziale Dimension sehr wenig vertreten. Dies mag darin begründet sein, dass die sozialen Aspekte mit politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen zusammenhängen, die sich psychotherapeutischen Bemühungen entziehen. Im Vortrag werden Beispiele von sozial bedingten Erkrankungen vorgestellt und auch einige Interventionen im sozialen Bereich diskutiert.
10:30 – 11:00 Uhr
Pause
11:00 – 12:00 Uhr
Psychodynamische Psychosomatik auf neuen Wegen
– Diskussion
Johannes Kruse
Auf der Suche nach den genetischen Determinanten somatischer und psychischer Störungen wurde
in den vergangenen Jahren zunehmend die Gen-Umwelt-Interaktion als ätiologischer Faktor für
die Entwicklung dieser Störungen entdeckt. Dank neuer Forschungstechnologien hat sich ein immer
feineres Bild der psychosomatischen Interaktionen ergeben. Untersuchungen zu den epigenetischen
Veränderungen nach schweren Traumatisierungen verdeutlichen u.a. die Reichweite der psychosozialen
Faktoren für die somatische Entwicklung des Menschen, sodass auch die evidenzbasierte Medizin an
diesen psychosomatischen Interaktionen nicht vorbeischauen kann.
Gleichzeitig hat sich das Krankheitsspektrum verändert – es überwiegen chronische körperliche
Erkrankungen, deren Verlauf durch den Lebensstil und das Krankheitsverhalten des Patienten
geprägt werden. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten über lange Lebensspannen.
So verwundert es nicht, dass 30% der Patienten, die eine ambulante Psychotherapie in Anspruch
nehmen, Hilfe im Umgang mit einer somatischen Erkrankung suchen – sei es um die somatopsychischen
oder um die psychosomatischen Aspekte zu bearbeiten.
Verhaltensmedizinische Interventionen wurden in den vergangenen Jahren entwickelt und evaluiert.
Sie erhalten zunehmend Eingang in die Versorgung. Wie aber entwickelt sich die psychodynamische
Psychosomatik heute? Wo steht sie und welche Konzepte und empirischen Befunde leiten sie? Der
Vortrag soll Antworten auf diese Frage geben.
12:00 – 13:00 Uhr
Embodiment – ein neuer Weg zum Unbewussten?
– Diskussion
Marianne Leuzinger-Bohleber / Rolf Pfeifer
Die Embodied Cognitive Science entwickelte in den letzten Jahren interessante Konzeptualisierungen von Gedächtnis und Erinnerungen, indem sie sich vor allem von den sogenannten »Life Sciences«, der Biologie, der Genetik, der empirischen Entwicklungsforschung und den modernen Neurowissenschaften, anregen ließ. Der Modellvorstellung des »Embodiments« zufolge bilden sich erste, unbewusste Verstehenskategorien mit Hilfe des sogenannten Spiegelneuronensystems in Interaktionen des Subjekts mit der Umwelt aufgrund sensomotorischer Koordinationen, d.h. »automatisch«, nicht zentral gesteuert, selbstregulativ und »embodied«. Diese Modellvorstellungen werden im Vortrag erörtet. Weiter soll ein Fallbeispiel illustrieren, wie das unbewusste »Verstehen« der traumatischen Hintergründe des bizarren Verhaltens eines Patienten im Erstinterview zwar spontan in den heftigen Gegenübertragungsreaktionen der Analytikerin zum Ausdruck kam, aber erst im fünften Jahr der Psychoanalyse, aufgrund einer tragenden analytischen Beziehung, zu den ersten bewussten, spezifischen Einfällen der Analytikerin führen und ein gemeinsames Verstehen ermöglichen konnte.
13:00 – 14:30 Uhr
Pause
Hinweis auf Parallelveranstaltungen (* PV) am Samstagnachmittag
Kurztitel | Ort | Uhrzeit |
Mehr erfahren PV 1.1 Körper und Trauma | Saal 1 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.2 AG Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie | Saal 2 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.3 AG Psychoanalyse und Gesellschaft | Saal 3 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.4 Grammatik der Körpersprache | Saal 5 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.5 Schwellensituationen | Saal 6 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.6 Forum Aus- und Weiterbildung | HNB Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.7 Psychoanalyse im Krankenhaus | Raum 2 Logenhaus |
14:30-16:00 |
Mehr erfahren PV 1.8 Computersimulation der Psychoanalyse | Raum 2 Logenhaus |
16:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 1.9 Offene AG der Vertrauensleute | Raum 3 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.0 Körper und Migration | Loge 1 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.1 Körper-Psychotherapie | Loge 2 Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.2 Forum Neuapprobierte | Loge 3 Logenhaus |
16:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.3 Psychoanalyse und Film | Konzertsaal der UdK Logenhaus |
14:30-18:00 |
Mehr erfahren PV 2.4 AG Versorgungsforschung/Methodenseminar | Raum 1 Logenhaus |
14:30-18:00 |
* PV 1.1 – Logenhaus, Saal 1, OG
Körper und Trauma
Moderation: Bruno Waldvogel
(max. 400 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Körper-Dissoziation als Traumafolge im
autobiographischen Werk Georges-Arthur Goldschmidts
Mathias Hirsch
Georges-Arthur Goldschmidt, aus einer assimilierten Hamburger Bürgerfamilie stammend, wurde, um der Nazi-Verfolgung zu entgehen, im Alter von zehn Jahren in ein Internat in den französischen Alpen, wo er jahrelang extremen psychischen, physischen (härtesten Prügel-"Strafen") und sexuellen Traumata ausgesetzt war, sowohl von den Erziehern als auch von Gleichaltrigen, verbunden mit völlig unzureichender Ernährung. Am Beispiel der autobiographischen Erzählungen (Die Absonderung, Die Aussetzung, Die Befreiung, Der Ausweg) von Georges-Arthur Goldschmidt möchte ich illustrieren, wie der Dichter beschreibt, dass der eigene Körper durch seine Dissoziation zur Bewältigung von extremen traumatisierenden Erfahrungen und den mit ihnen verbundenen unerträglichen Affekten eingesetzt werden kann. Die Dissoziation von Affekten und des Körper-Selbst vom Gesamtselbst führt zu einem Depersonalisationserleben, einer Entfremdung des eigenen Körpers, so kann er durch die erreichte Getrenntheit wie ein beruhigendes Selbst- und Übergangsobjekt fungieren und mit seiner mütterlichen Anwesenheit auch als Identitäts-Surrogat herhalten. Auch Goldschmidts hellsichtiges Verständnis der Objektfunktion von Selbstbeschädigung, Autoerotismus und besonders des Körperschmerzes kleidet er in die für ihn charakteristische Form der novellenartigen Erzählung. Der Schmerz durch fortgesetzte folterähnliche Prügel, die einhergingen mit der einsetzenden Sexualentwicklung mit vielfältigem sexuellen Missbrauch durch die Gleichaltrigen wurde stark sexualisiert worden. Eine Hauptfunktion dieser Körper-Reaktionen lag in der Bewältigung massiver Schuldgefühle des Opfers im Sinne eines Überlebenden-Schuldgefühls, auch als phatismatische Begründung seines Anders- und Opfer-Seins.
Franz Kafka im Licht der Psychosomatik
Rudolf Klußmann
Die Psychosomatische Medizin berücksichtigt biologische, psychische und soziale Faktoren in ihrer Wechselwirkung. Basierend auf einem tiefenpsychologisch-psychoanalytischen Fundament und entsprechender fast hundertjähriger klinischer und wissenschaftlicher Erfahrung der „alten“ Psychosomatik spielen heute die neueren Erkenntnisse der Säuglings- und Bindungsforschung, der Neurobiologie, der Psycho-Traumatologie und -Immunologie sowie der Stressforschung eine hervorragende Rolle. Unter diesen Aspekten wird der Lebens- und Leidensgeschichte Franz Kafkas nachgespürt, wie sie vor allem aus seinen Tagebüchern und Briefen hervorgeht. In seiner frühen und späteren Kindheit wurde Kafka bei wechselndem Hauspersonal „aufbewahrt“. Der jähzornig-tyrannische Vater und die ihm ergebene, überforderte Mutter standen für einen empathischen Dialog nicht zur Verfügung. Ein Gefühl von Geborgenheit und Urvertrauen konnte nicht entstehen. Erhebliche Bindungs- und Selbstwertstörungen sowie Läsionen an verschiedenen Organsystemen waren die Folge über die gesamte Lebensspanne. Kafka selbst stellt zum Beispiel die Dramatik seiner lebensbedrohenden Lungenblutungen eindringlich dar. Wir können auch bei ihm davon ausgehen, dass die aufgrund früher Trennungen, Verlassen- und Unverstandensein entstandenen Sinneseindrücke existenzbedrohende Gefühle nach sich zogen, die im limbischen System des Gehirns gespeichert wurden. In späteren von ihm als ähnlich erlebten Situationen brachen sie hervor. Es handelt sich dabei um Verlusterlebnisse mit Gefühlen von Hilf- und Hoffnungslosigkeit und nachfolgenden Stressreaktionen einschließlich von Angstüberflutung und Krankheitsausbrüchen. Diese in der psychosomatischen Diagnostik so wichtige symptomauslösende Situation ist in Kafkas Leben bei Zuspitzung emotionaler Krisen mehrfach nachweisbar.
»Kann sein, dass ich Angst habe, ich weiß es aber nicht!«
Erscheinungsformen traumatischer Ängste in der psychoanalytischen Beziehung
Diana Pflichthofer
Es kann sein, dass ein Mensch heftige körperliche Angst-Reaktionen spürt und dennoch nicht das Gefühl hat, Angst zu haben. Das klingt paradox. Der Körper versucht mit dem Betreffenden zu kommunizieren, mittels seiner Körpersprache, die jedoch vom Patienten nicht gedeutet, nicht verstanden werden kann.
Freud unterscheidet die Realangst als Angst vor einer realen Gefahr, die von außen kommt, von der neurotischen Angst und schlägt vor, eine erlebte Situation von Hilflosigkeit eine traumatische Situation zu nennen und diese von der Gefahrsituation begrifflich zu trennen. Ein wichtiger Fortschritt für uns sei es gerade, wenn wir eine solche traumatische Situation von Hilflosigkeit erwarten, vorhersehen könnten.
»Dies will besagen: ich erwarte, daß sich eine Situation von Hilflosigkeit ergeben wird, oder die gegenwärtige Situation erinnert mich an eines der früher erfahrenen traumatischen Erlebnisse. Daher antipiziere ich dieses Trauma, will mich benehmen, als ob es schon da wäre, solange noch Zeit ist, es abzuwenden. Die Angst ist also einerseits Erwartung des Traumas, andererseits eine gemilderte Wiederholung desselben« (Freud 1926, S. 303).
Dies scheint mir ein zentraler Satz zu sein, denn er begründet, warum die psychoanalytische Situation für manche Menschen zu einer - zwar gemilderten – aber dennoch re-traumatisierenden Situation werden kann: Die in ihr wirksame Asymmetrie zwischen Analytikerin und Patient, die eingeschränkten Kontroll-Möglichkeiten des Patienten (der ja gerade dazu angehalten wird, (sich) nicht zu kontrollieren), die häufig ausbleibenden Antworten und schließlich der – in der Folge - hohe Übertragungsdruck und –anreiz, sie alle schaffen in der analytischen Situation eben die Bedingungen für die Erwartung von überwältigender Hilflosigkeit. Sie kann gewissermaßen eine Nebenwirkung von Psychoanalyse darstellen. Dies könnte die Frage aufwerfen, ob eine Analyse denn das geeignete Verfahren sei, traumatisierte Menschen zu behandeln. Dieser Einwand wird von so manchen Kritikern vorgebracht.
Nun haben traumatisierte Patienten sehr häufig nicht nur Angst vor der Angst, sondern vor sämtlichen Gefühlen, wenn diese eine gewisse Intensität überschreiten und die Patienten fürchten, von diesen überwältigt zu werden.
In einer Analyse wird es für einen solchen Menschen also darum gehen müssen, wieder einen Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden, nachdem sie zuvor häufig ent-differenziert, ent-sprachlicht und re-somatisiert wurden (Krystal 2001, S. 199).
Neben einigen theoretischen Erläuterungen zu den o.g. Themenkomplexen und Fragen will der Vortag in einem zweiten Teil Einblick in die Analyse eines traumatisierten jungen Mannes geben.
"Verborgene Wunden" Spätfolgen politischer
Traumatisierung in der DDR und ihre transgenerationale Weitergabe
Karl-Heinz Bomberg
Mehr als 25 Jahre nach dem Mauerfall streiten ehemals politisch Verfolgte noch immer um einen angemessenen Umgang mit den Folgeschäden der SED-Diktatur. Mit den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen wurde der erste Schritt zur Aufarbeitung vollzogen. Dennoch üben zahlreiche Opferverbände Kritik an zu geringen Rentenzahlungen, Defiziten in den Anerkennungsverfahren von haft- und verfolgungsbedingten Gesundheitsschäden und gesellschaftlichen Verharmlosungstendenzen und fordern Nachbesserungen.
* PV 1.2 – Logenhaus, Saal 2, OG
AG Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie -
Die Berücksichtigung von Verfahrensaspekten bei behandlungstechnischen Entscheidungen II
Moderation: Bettina Mudrich, Anne A. Springer
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 15:45 Uhr
AG Praxis der Tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie
Josefine Lorenzen, Michael Klöpper, Erich Limmer, Bettina Mudrich
Nachdem wir uns im letzten Jahr mit der Entwicklung und Handhabung des Fokus in der TP beschäftigt haben, möchten wir in diesem Jahr anhand eines ausführlichen Stundenprotokolls spezifische behandlungstechnische Möglichkeiten und auch Schwierigkeiten, die sich in einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie ergeben können, diskutieren.
16:00 - 17:15 Uhr
AG „Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie“
Albrecht Stadler, Birgitta Rüth-Behr, Stephan Alder, Astrid Gabriel, Eeva-Kristiina Akkanen - vom Stein, Charlotte Rothenburg, Michael Krenz
Die Veranstaltung ist offen für alle DGPT – Mitglieder und Gäste. Wir freuen uns besonders auf einen regen Austausch mit affiliierten Mitgliedern und Kandidaten.
Da kasuistisch gearbeitet wird, ist eine vorherige Anmeldung notwendig.
Im Tagungsband zur Jahrestagung 2012 hat die Arbeitsgruppe die Zwischenergebnisse ihrer Untersuchung der Praxis von Psychoanalytikern in der Umsetzung der Konzeption der „tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie“ vorgestellt. Der Aspekt, dass das Verfahren aus der Begrenztheit der zur Verfügung stehenden Zeit eine fruchtbare Dynamik bezieht, war dabei ein zentrales Ergebnis. Wir möchten zur Vorbereitung auf das diesjährige Symposion auf die entsprechende Veröffentlichung im Tagungsband der DGPT verwiesen.
Das auf 2 Jahrestagungen ausgerichtete Format der Veranstaltung hat zum Ziel, die Konzeption zentraler verfahrenstechnischer Aspekte aus psychoanalytischer Sicht weiter zu vertiefen. Im diesjährigen zweiten und abschließenden Forum wird ein ausgearbeitetes Protokoll einer Stunde aus einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie vorgestellt. Die Vorgehensweise des Analytikers soll diskutiert werden im Hinblick auf verfahrenstechnische Aspekte einschließlich der Diskussion behandlungstechnischer Alternativen.
17:30 - 18:00 Uhr
* PV 1.3 – Logenhaus, Saal 3, OG
AG Psychoanalyse und Gesellschaft
Moderation: Klaus-Jürgen Bruder, Karsten Münch
(max. 60 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Das Veralten des Autoritären Charakters
Oliver Decker
Die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen nahm in Deutschland 2014 insgesamt ab. Ein Grund zur Beruhigung? Auf den ersten Blick könnte man diese Frage mit ja beantworten. Wären da nicht die stark angestiegene Abwertung von bestimmten Migrant/innen. So richtet sich die Aggression verstärkt gegen Sinti und Roma, Muslime und Asylsuchende, teilweise forderten 2014 dreimal so viel Befragte die Einschränkung von Grundrechten und ein hartes Vorgehen gegen diese Gruppen, als noch im Jahr 2011. Woran liegt das? Die psychologische Sozialpsychologie weiß um etliche Ursachen für das, was sie Intergruppenkonflikte nennt: etwa Bedrohungserleben oder Kontrollverlust.
Auch ist der Befund eindeutig, dass jene Befragte mit autoritärer Orientierung den Aussagen überproportional zustimmen. Nur welchen Zusammenhang diese Bedrohung oder eben der Autoritarismus mit der Gegenwartsgesellschaft hat, dass wird selten ernsthaft betrachtet.
Möglicherweise muss man das Konzept des Autoritären Charakter, wie er am Frankfurter Institut für Sozialforschung in den 1920-30er entwickelte wurde, wieder genauer in Augenschein nehmen. Im Vortrag soll dessen Veralten und seine Aktualität diskutiert werden.
* PV 1.4 – Logenhaus, Saal 5, OG
Grammatik der Körpersprache
Moderation: Joachim Grefe
(max. 150 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Zwischenleiblichkeit: Körper-Sprache-Szene
Jörg Michael Scharff
Über die Körpersprache wirken die Protagonisten der therapeutischen Situation aufeinander ein.
Sie ist unmittelbarer leiblicher Ausdruck einer realen oder imaginierten Szene.
Zur Körpersprache zählt auch das WIE der stimmlichen Äußerung. Während Patient und Therapeut
miteinander sprechen, kommunizieren sie nicht nur mittels der die Worte begleitenden körperlichen
Gestik, sondern auch über die ‚Musik des Sprechens‘.
Dem körpersprachlich-leiblichen Kommunikationsmodus eignet Unmittelbarkeit, Präsenz, Ganzheitlichkeit
und in den meisten Fällen ‚Präreflexivität‘. Die Kommunikation realisiert sich auf einer vorbewussten
Ebene der ‚Zwischenleiblichkeit‘.
Es gilt, sich dessen gewahr zu werden, wie man vom leiblichen Äußerungsgestus des Patienten in Anspruch
genommen ist und darauf antwortet. Dies ist oft erst im Nachhinein möglich, die Unmittelbarkeit der
zwischenleiblichen Kommunikation ist ein Erstes (Geschehenslogik), dem oft erst in einem zweiten,
nachträglichen Schritt ein Verstehen folgt (Verstehenslogik).
Zugleich wäre es naiv, davon auszugehen, dass der körpersprachliche Modus eine eineindeutige Kommunikation
erlaubt. Körpersprachliche Gesten tun zwar ihre unmittelbare Wirkung, verweisen aber auf eine Vielfalt von
Bedeutungszusammenhängen, die analytisch in der sorgfältigen Arbeit am jeweiligen Kontext von Übertragung und
Gegenübertragung erschlossen werden wollen. Vom Behandlungspraktischen her stellt sich zugleich die Frage, wie,
wann und auf welche Weise der Therapeut das Verstandene kommuniziert, um den Patienten auch wirklich zu erreichen.
Wie kommen Gefühle zur Sprache?
Wulf Hübner M.A.
KörperSprachen, dieser Titel zeigt eine Metapher an. Leiber und Gliedmaßen der am „Dialog der Körper“ Beteiligten reden nicht miteinander, aber sie führen „zwischenleiblich“ Szenen unterschiedlichster Dramen auf. Das ist am Anfang das einzige Medium, auch nach dem Spracherwerb bleibt es erhalten. Einerseits ist unser bewusster Selbstbezug ein sprachlicher, andererseits sind wir seit alters her mit dem Problem konfrontiert: »Spricht die Seele, so spricht ach! die Seele schon nicht mehr« (Schiller). Um was für einen Verlust handelt es sich? Wie können wir uns über das Unsagbare verständigen?
"Einäuglein schläfst du? Einäuglein wachst du?" - Zur frühen Blickdynamik
Lisa Werthmann-Resch
Kein anderer Sinn richtet sich so sehr an das - noch ganz rudimentäre und fragmentarische - Identitätsgefühl in einer Art frühem Prozess des Selbst-„Erkennens“, wie der Blick. Schon früh zeigt sich beim umherirrenden Blick des Babys eine Art „Wiedererkennen“, wenn es wie zufällig das Gesicht der Mutter erneut in Augenschein nimmt. Auch die Mutter schaut dem Kind von Anbeginn an in seine Augen und es beginnt ein Transfer von Blick zu Blick. Der Blickkontakt gehört zu den frühesten Formen menschlicher Kommunikation. Im wechselseitigen Blickaustausch organisiert sich ein Säugling psychisch und erlebt eine Spiegelung seines Ichs. Die Mutter wird damit nicht nur zum begehrten Objekt, sondern auch zur ersten Repräsentation einer beobachtenden Figur. Die Einzigartigkeit des Blickes basiert auf der Fähigkeit, in gleichem Maße aktiv und passiv sein zu können, expressiv und perzeptiv. Der Blick wendet sich nach innen und nach außen und markiert dadurch tatsächlich in der Außenwelt Wahrnehmbares und innere Repräsentationen. Anhand von klinischen Vignetten werden Überlegungen zum frühen Blickerleben, zum Sehen und Gesehen-Werden und seiner Bedeutung in Übertragung und Gegenübertragung erläutert.
Das Bild eines nackten Kindes - Der kindliche Körper im Lichte des öffentlichen Interesses
Ulrich A. Müller
Schon lange hat die Aufklärung das Kind erreicht. Dies in seinem ambivalenten Sinn zu verstehen, bemüht sich der Beitrag. Einerseits haben wissenschaftliche Rationalisierungsprozesse das Kind zu einem Gegenstand der Beforschung gemacht, während andererseits die Obszönität der Inszenierung kindlicher Körper beklagt wird und die Öffentlichkeit in unregelmäßigen Zyklen in Aufregung versetzt. Das öffentliche Urteil zu den sexuellen Übergriffen gerät mit sich selbst in Widerspruch, wenn die Verfolgung von Straftaten selbst zur medialen Inszenierung wird. „Das Bild des nackten Kindes“ repräsentiert diesen Widerspruch. Für einen Psychotherapeuten schließt sich die Frage an, wie Kinder selbst diese Aufregungen erleben und verarbeiten.
– Diskussion
* PV 1.5 – Logenhaus, Saal 6, EG
Schwellensituationen
Moderation: Ingrid Moeslein-Teising
(max. 100 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Der transsexuelle Körper
Lily Gramatikov
Mit der Veröffentlichung ihrer Arbeit „Das Unbehagen der Geschlechter“ (1990) hat Judith Butler einen bis heute anhaltenden Diskurs über die soziale Generierung der Kategorie Geschlecht angestoßen, bei dem die scheinbar natürliche Verknüpfung von Körper und Geschlecht in Frage gestellt wird. Diese Konzepte finden allmählich auch Eingang in die psychoanalytische Theoriebildung, wo sie an die frühen Vorstellungen von Sigmund Freud über die polymorph-perverse Grundausstattung und die bisexuelle Natur des Menschen anknüpfen. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Transsexualität besteht inzwischen Konsens, diese nicht als pathologische Erscheinung einzuordnen. Das Phänomen Transgender ist zudem in den Medien des gesellschaftlichen Mainstream angekommen, zuletzt manifestiert durch den Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest 2014. Ist Transsexualität also „normal“ geworden, nur eine Variante von vielen möglichen postmodernen Selbstentwürfen, ein Ausdruck des Liquid Gender (Volkmar Sigusch)? Während Travestiten, Drag-Queens und -Kings und auch Conchita Wurst mit der Kategorie Geschlecht spielen, dabei zeitweise in die Eindeutigkeit der heteronormativen Normalität zurückkehren, ist für transsexuelle Menschen ihr Identitätsgeschlecht eindeutig und der Wechsel in die andere Geschlechtsrolle dauerhaft. Dem Körper kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Durch seine Aspekte konstituiert sich der transsexuelle Status, durch seine potentielle Veränderung könnte er sich von einem „falschen“ in einen „richtigen“ Körper verwandeln. Dabei vermischen sich Realität und phantasmatische Bearbeitung. Die reale Ausgestaltung des für alle sichtbaren Körpers impliziert eine Zuordnung zu einem Geschlecht sowie eine spezifische Rollenerwartung durch Andere und beeinflusst so das Bild, das im Anderen vom transsexuellen Subjekt entsteht. Ist keine eindeutige Zuordnung möglich, entsteht im Gegenüber zumindest Verwirrung, häufig Angst und Ablehnung. Das Bild des Anderen formt den eigenen Blick auf das Selbst und so erscheint für viele transsexuelle Menschen eine weitgehende Angleichung ihres Körpers, die operative Herstellung einer möglichst hohen Eindeutigkeit, als einziger Ausweg aus der beängstigenden Zwischengeschlechtlichkeit. Während damit einerseits eine Unterwerfung unter die Vorgaben der Heteronormativität einhergeht, können diese medizinischen Optionen andererseits einen subjektiven Aneignungsprozess des eigenen Körpers ermöglichen, der nach seiner Umformung erstmals libidinös besetzt werden kann und damit den Rückzug aus der Leiblichkeit beendet. In dem Spannungsfeld zwischen Anpassung und Selbstbestimmung ist das transsexuelle Subjekt den verinnerlichten gesellschaftlichen Normen und den Haltungen der inneren Objekte ausgesetzt. Die Überschreitung der als sicher geglaubten Geschlechtergrenzen bedroht unsere Identität, die auf der Verdrängung unserer primären bisexuellen Identität und der infantilen Identifikation mit beiden Geschlechtern beruht. Deshalb trifft die transsexuelle Person in sich und beim Gegenüber auf die gleichen Abwehrmanöver, die gleichen Zurückweisungen, die gleichen Negationen. Als Psychoanalytikerinnen und Psychoanalytiker sind wir Spezialist/inn/en der Regression und dem Umgang mit dem Unvorhergesehenen. Wir sollten uns dem Unbehagen der Uneindeutigkeit annähern und unseren geschlechtlichen Horizont erweitern.
Manieren: eine Grammatik der Körpersprache
Wolfgang Kurt Schwerd
Manieren sind mehr als die Frage, mit welchem Besteck und in welcher Reihenfolge man ein Menü zu sich nimmt. Adolph Freiherr von Knigge schrieb sein berühmtes und meist falsch zitiertes Werk nicht als Benimmregeln sondern als Aufklärungsschrift für den Umgang von freien Bürgern mit freien Bürgern. Das Erscheinungsjahr der Erstausgabe 1788, also am Vorabend der bürgerlichen Revolution, verweist auf diesen Zeitgeist, der leider beim Zitieren oft in Vergessenheit gerät.
Manieren können verstanden werden als eine Grammatik der Begegnung und des Ausdrucks diesseits der sprachlichen Kommunikation. Manieren sind also paraverbale oder präverbale Muster der Verständigung mit sich und anderen. Nicht nur kulturanthropologisch sind die Fragen der Manieren von Belang, sondern auch im Sinne der individuellen Entwicklung. Manieren werden je individuell erworben und präsentieren sowohl die soziale Seite des Individuums als auch die Art der Enkulturation und Emanzipation in die eigene soziale und psychische Welt. „Unpassende“ Manieren bezeichnen wir als Manierismen oder Manieriertheit; manche Manieren ändern sich mitunter erstaunlich rasch manche zeigen eine große Stabilität.
Die kritischen Phasen der psychosexuellen Entwicklung sind verknüpft mit einer mehr weniger kategorischen Infragestellung der gängigen Manieren gleichzeitig mit einer Entwicklung der eigenen inneren Positionen und daraus dann abgeleiteter Manieren, die nun bestenfalls nicht einfach eine Imitation sind, sondern die Art und Weise widerspiegeln wie man etwas tut - wie es das ursprünglich aus dem französischen kommende Wort „Manier“ meint. Manicipare als etwas in die Hand nehmen und Emanzipare als Freilassung des Körpers aus der elterlichen Gewalt spielen sich damit auch auf dieser Ebene der körpersprachlichen Inbesitznahme ab.
Manieren zeigen sich permanent im Alltag der psychotherapeutischen Behandlungssituation, es ist oft schwer sie anzusprechen, gehören sie doch zu einem Aspekt der Persönlichkeit, dem großer Respekt entgegen zu bringen ist. In Freuds Empfehlungen zur Behandlungstechnik verbergen sich eine Vielzahl von Hinweisen, in welcher Manier der Analytiker/die Analytikerin der Patienten begegnen sollte. Die psychoanalytische Behandlungstechnik hat sich kontinuierlich weiterentwickelt in dem Sinne, dass neben dem gesprochenen Wort ( talking cure) in zunehmender Weise Aspekte der Handlungsdialoge, der Enactments und Performanzen in den Blick genommen werden.
In einem Vortrag möchte ich aufzeigen, wie Manieren kulturell und individualpsychologisch zu verste-hen sind, wie sie sich entwickeln und wie sie analog einer Grammatik in der Sprache als körpersprachlich Codex in all unseren Begegnungen so auch in den psychotherapeutischen zugegen sind.
Mutterschaft auf der Couch
Helga Krüger-Kirn
Der Beitrag widmet sich den körperlichen Erfahrungen rund um Mutterschaft. Auf der Grundlage des empirischen Materials der Studie „die geMachte Frau und ihr Körper“ (Krüger-Kirn, 2015) wird gezeigt, dass weibliche Identitätsfragen und eben auch die Frage der Mutterschaft nicht erst mit dem Auftauchen eines Kinderwunsches oder während einer Schwangerschaft hautnah mit dem Körper verknüpft sind. Spätestens mit Beginn der Menstruation übt die Gebärfähigkeit als körperliches Potenzial der Frau - ob gelebt oder nicht – einen bedeutsamen Einfluss auf das weibliche Körpererleben und den weiblichen Selbstentwurf aus und betrifft besonders die libidinöse Besetzung des eigenen Körpers sowie die körperlich-sexuelle Selbstbestimmung.
Obwohl Freuds Charakterisierung des weiblichen Körpers als dunkler Kontinent (Freud 1926e, S. 241) vielfach revidiert wurde (vgl. Mitscherlich 1978, 1996; Rohde-Dachser 1991; Schlesier 1981), fristet der weibliche Körper einschließlich seiner reproduktiven Potenz weiterhin ein Schattendasein im psychoanalytischen Geschlechterdiskurs. Eine Sichtung der psychoanalytischen Theoretisierung bedeutender psychosexueller Entwicklungsstationen zeigt, dass bereits mit Beginn der Entdeckung der sexuellen Differenz über die körperlichen Veränderungen in der Pubertät bis hin zur Schwangerschaft körperliche Transformationsprozesse primär auf depressive Verarbeitungsmuster (vgl. Quindeau 2013) fixiert und eine Anerkennung körperlicher Potentiale vernachlässigt werden (vgl. Krüger-Kirn, 2015). Bis heute werden die mütterlichen Erfahrungen primär im Kontext der Beziehung mit dem Kind theoretisiert (vgl. Winnicotts „good enough mother“, 1984, das container-modell von Bion 2005, Klein, 1987, die Mutter als gehasstes und geliebtes Objekt, das idealisiert und verworfen wird (vgl. Kristeva 1985) und neuerdings eine Affekt - und biochemische Prozesse regulierende Mutter (vgl. für die Säuglingsforschung Dornes 1993; Stern 1998 etc.). Insofern bleibt der Blick auf die Subjektposition der Frau als Mutter verstellt und geht mit einer Untertheoretisierung von Mutterschaft und den damit zusammenhängenden Erfahrungsbereichen um Menstruation, Schwangerschaft, Abtreibung, Geburt und Stillen einher (vgl. Besch – Kornelius 1987; Koellreuter 2000; Stabile 1994).
Die ausgemachten Erfahrungen während des verkörperten Zustands einer Schwangerschaft wirken wie ein Brennglas und zeigen, welche Einstellungen über Mutterschaft und den weiblichen Körper in unserer Gesellschaft (und im psychoanalytischen Geschlechterdiskurs) vorherrschen. In der Tat wird rund um die reproduktiven Potentiale des weiblichen Körpers eine Jahrhundert alte Geschichte der Unterdrückung und Funktionalisierung weiblicher Körperlichkeit offensichtlich. Über die patriarchalen Funktionalisierungsstrategien hinaus hat die Körperverwendung im Zuge der modernen reproduktionsmedizinischen Techniken eine neue Dimension erreicht. Durchkreuzt vom aktuellen Schönheitsdiskurs der postmodernen Weiblichkeitsbilder wird der leibliche Körperzustand einer Schwangerschaft auf einen somatischen Zustand degradiert und medizintechnischen Interventionen unterworfen. Aus einem schwangeren Körperzustand wird ein medizinischer Ausnahmezustand und radikal auf einen Risikokörper (vgl. Duden 2002; Schindele, 2014) reduziert. Der Kontext einer Körperpolitik, der die Funktionalisierung des mütterlichen Körpers unter dem Deckmantel der Selbstfürsorge und Gesundheitsanforderungen verschleiert, stellt auch für das psychoanalytische Verständnis der Körpererfahrungen rund um Mutterschaft eine neue Herausforderung dar. Fragen, ob und warum schwangere Frauen ihre subjektiven Empfindungen einem medizinischen Diktat unterwerfen, spannt einen Bogen zum heutigen Verständnis psycho-somatischer Verkörperungen.
Zwar sind hier grundsätzliche, theoretische Fragen der Subjektivierung im Spannungsfeld von präödipalen, mit dem Mutterkörper verbundenen und ödipalen, an die Vaterfigur geknüpfte Erfahrungen (vgl. Lacan, Kristeva 1978) angesprochen und begründen bekanntermaßen eine Theoretisierung des ‚Muttermords‘. Die zu verwerfenden Objekte sind laut Kristeva dem Präverbal-Semiotischen zugeordnet; ihre Überwindung gilt in Kristevas Subjektkonzeption als Voraussetzung für die „Geburt des Selbst“ und eines stabilen Subjekts (Kristeva, 1982, S. 3). Mit dem Mutterkörper assoziiert und mütterlich codiert bezieht sich die Verwerfung folglich auf den ‚mütterlichen’ Körper und wird mit ‚Weiblichkeit’ gleichgesetzt. Mit dem Theorem der Abjection steht ein differenziertes Konzept zur Verfügung, über das in einem erweiterten Sinnzusammenhang - wie von Butler (1991) in den Geschlechterdiskurs eingeführt – Abspaltungsprozesse sowohl im Inneren des Subjektes wie auch gesellschaftlich gedacht werden können (vgl. z.B. Butler, 1991, S. 141; Butler, 1995). Geschlechtlich determinierte Bedeutungen, wie dicker Bauch, volle Brüste, Muttermilch und Blut können dann über die Subjektperspektive hinaus auf die diskursiven Einflüsse auf Mutterschaft reflektiert werden.
Am Beispiel der Abtreibung und des verkörperten Zustands der Schwangerschaft wird argumentiert, dass Anatomie als Schicksal mit der Forderung einhergeht die körperliche Verfasstheit als Ort der psycho-sexuellen Erfahrungen in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei zeigt der schmale Grat zwischen (unterdrückenden) Zuschreibungen und selbstbestimmten Überschreitungen, dass die subjektiven Erfahrungen mit dem Mutter-Körper um einen Raum der Anerkennung der körperlichen und psychischen Potenzerfahrungen ringen.
In der Konsequenz mündet die empirisch unterlegte Forderung nach einer Anerkennung mütterlicher Körper- und Reproduktionspoteniale in eine konzeptionelle Einarbeitung körperlich-geschlechtlicher Differenzen in die Theorien geschlechtlicher Subjektivierung. Denn eine mangelnde Geschlechterdifferenzierung in den psychoanalytischen Theorien subjektiver Entwicklung verfehlt nicht nur die für die Psychoanalyse prominente dialektische Theorie der Subjektivierung, sondern den weiblichen Körper überhaupt (vgl. de Lauretis 1999) und leistet damit Vorschub für die gesellschaftliche Degradierung des weiblichen bzw. mütterlichen Körpers auf einen Objektstatus.
Mein verschlossener Körper: "Ich will ein Kind - öffnen Sie ihn!"
Monika Huff-Müller
In der Behandlung einer multiplen Gewalt und sexuell traumatisierten Patientin zeigten sich die Spuren der Verletzung in vielfältigen somatischen Symptomen von Nasenbluten bis hin zu Vaginismus. Der Therapieauftrag der Patientin lautete, sie von diesen körperlichen Zuständen zu befreien und ihr so den Schritt in eine vitale weibliche Identität zu ermöglichen. Im Rahmen des therapeutischen Prozesses erkannte die Patientin die Notwendigkeit, die Symptome und die Körpersprache zu verstehen und zu bewörtern, wobei sie verschiedene Sprach- und Sprechformen entwickelte. In dem Vortrag sollen Beispiele zur Erweiterung und Öffnung des psychoanalytischen Behandlungskonzeptes dargestellt werden, in dem Körperliches übersetzt wurde. Zunächst musste die deutsche Patientin eine fremde (englische) Sprache aufsuchen, um ihre erlebten Traumata wahrnehmen, annehmen und ausdrücken zu können. Dem folgten verschiedene Versuche in der Therapie, die Traumata, Konflikte und Symptome in Bilder und Metapher zu übertragen, um so zum Wort und zum Narrativ zu finden.
* PV 1.6 – Logenhaus, HNB, EG
Forum Aus- und Weiterbildung
Moderation: Patricia Martin, Daniela Foohs, Anne Dormann
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Auf Augenhöhe sprechen: Ausbildungsstrukturen zwischen Dogmatismus und Mitbestimmung
Die DGPT ist in Bewegung: wie wird der Umgang mit Unbewusstem, mit Übertragung und Gegenübertragung in Zukunft
in Deutschland gelehrt werden? Wir erhoffen uns frischen Wind und eine rege Diskussion im diesjährigen Forum
zwischen Ausbildenden und Kandidaten:
Aspekte der Transparenz, der Verminderung von Abhängigkeit, der Mitbestimmung durch Kandidaten, der Methodenoffenheit der Institute
erscheinen uns zentral. Wir wollen überprüfen, ob die vorhandenen Ausbildungsstrukturen und -inhalte die Entwicklung unserer therapeutischen
Kompetenzen fördern oder hemmen, was elementar ist und wo die Bedürfnisse der Kandidaten liegen. Entwickeln sich durch die Verknüpfung von
Theorie, Praxis, Supervision und Selbsterfahrung am Ausbildungsinstitut ungünstige Machtstrukturen? Wie kann ein Machtmissbrauch strukturell
verhindert werden? Wir wollen nach einer Analyse der Situation auch fragen, wie alternative Modelle für die Ausbildung in psychodynamischen
Psychotherapieorientierungen aussehen können und ob sie den Praxistest bestehen?
„Wir sitzen im gleichen Boot an der anderen Seite des Tisches“ - Feldforschung in der Psychotherapieausbildung
Jutta Kahl-Popp
In diesem Referat wird aus den Ergebnissen zweier qualitativer Pilotstudien berichtet:
a) einer Studie „Ausbildungsrückblick“, in der Absolventen tiefenpsychologisch fundierter, psychoanalytischer und verhaltenstherapeutischer Ausbildungen ihre Ausbildungserfahrungen reflektieren,
b) einer Studie „Supervision in der psychotherapeutischen Ausbildung“, in der die Wirkung von Supervision in der Ausbildung auf klinische Handlungskompetenz von Ausbildungsteilnehmern untersucht wird.
Die Studienergebnisse werden im Hinblick auf Augenhöhe, Dogmatismus und Mitbestimmung in alten und neuen Ausbildungsstrukturen diskutiert.
* PV 1.7 – Logenhaus, Raum 2, DG
Psychoanalyse im Krankenhaus
Moderation: Bernhard Janta
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 16:00 Uhr
Die Sprache des Diabetes -
die Funktion der Blutzuckerwerte insbesondere Hypo- und Hyperglykämie in der Interaktion
Barbara Jancik
Der Vortrag setzt sich mit der Symptomatik des Diabetes
mellitus(Typ I) auseinander.
Hier sind insbesondere die Hypoglykämie und die Hyperglykämie in
ihrer Funktion in der Interaktion gemeint.
Der Vortrag soll herleiten, dass diese Symptomatiken eine
Zwischenstellung zwischen körperlicher bzw. physiologisch oder
medizinisch begründbarer Symptomatik und
Konversionssymptomatik (Konflikt ausdrückend), auch eine
Ausdrucksfunktion bzw. eine Sprachfunktion bekommen, die
einerseits Affekte ausdrücken und damit auch Affekte im Anderen
auslösen und beziehungsregulierend sind.
Sie können vor allen Dingen auch zu einer fatalen
Beziehungsgestaltung führen, die ich "lineare Triangulierung"
nennen möchte.
All diese Funktionen und Bedeutungen können nebeneinander
auftreten.
Die Ausdrucksfunktion habe ich Sprache des Diabetes genannt, weil
sie meiner Meinung nach in der Interaktion eine Sprachbedeutung
bekommen können.
Hier möchte aber wieder auf die Zwischenstellung hinweisen:
Im Gegensatz zu anderen chronischen Erkrankungen, in der sich
nicht beeinflussbare körperliche Reaktionen zeigen, sind die
Akutsymptome des Diabetes manipulierbarer und aktiv herstellbar.
Dieses geschieht jedoch oft nicht im Sinne einer bewussten
Manipulation, sondern hat eine besondere unbewusste Bedeutung.
Meine Theorien werde ich mit zum Teil an Fallbeispielen erläutern
Das Selbst- und Körpererleben in Folge von Traumatisierung und dessen Veränderung während der psychoanalytischen multimodalen stationären Behandlung bei strukturellen Störungen mit Depression, Dissoziation und Suizidalität
Michael Purucker
Ich-strukturelle Störungen im Kontext mit kindlicher Traumatisierung führen häufig zu schweren, chronifizierenden depressiven Erkrankungen mit psychosomatischen und dissoziativen Symptomen sowie autodestruktivem Verhalten einschließlich wiederkehrender Suizidalität. In der psychiatrischen bzw. psychotherapeutischen Versorgung werden die depressive bzw. dissoziative Affektsomatisierung, die suizidale Entwicklung sowie die traumaassoziierte Psychodynamik häufig nicht erkannt, sondern einer vermeintlich therapieresistenten Depression zugeordnet, so daß eine angemessene Psychotherapie oft erst in schweren regressiven Zuständen bzw. nach manifester Suizidalität beginnt. Die Erfahrungen von E. Simmel in der Psychoanalytischen Klinik Schloß Tegel (1928) zeigen, daß eine psychoanalytisch fundierte, multiprofessionelle Therapie im stationärem Setting gerade bei schweren Erkrankungen aufdeckende Behandlungen und damit strukturelle Entwicklung und Symptombewältigung ermöglicht. In unserer Klinik haben wir von 2005 bis 2014 über 1000 Patienten mit einem psychodynamisch-integrativen, individualisiertem und ambulant-stationär verzahnten Langzeit-Therapiekonzept (stationäre VWD im Mittel 73 Tage, SD 11) mit Fortführung der therapeutischen Kontinuität durch ein Bezugstherapeutensystem behandelt, davon überwiegend Fälle mit schweren und komorbiden depressiven Störungen. Wir stellen daher die Problematik der traumaassoziierten schweren depressiven Entwicklung und die Möglichkeiten der Strukturentwicklung durch ein psychoanalytisches, multimodales und psychosoziales Therapieangebot anhand ausführlich evaluierter Behandlungen dar. Das an Psychodynamik und an Psychopathologie sowie dem Ziel der Umstrukturierung orientierte therapeutische Konzept vermittelt auf Grund des multilateralen Übertragungsgeschehens umfängliche klinisch-psychoanalytische Erfahrungen bezüglich des Zusammenspieles von Psychodynamik und Psychopathologie einschließlich komplexer neurotischer und strukturell bedingter Abwehrdynamiken. Dabei wird anhand von krisenhaften Verläufen bei traumatisierten Patienten mit Suizidalität die Verschränkung dieser Themen und die daraus folgende Multifokalität diskutiert. Unsere klinischen Erfahrungen zeigen, daß auch bei schweren komorbiden depressiven Syndromen tragfähige psychopathologische Besserungen und deutliche strukturelle Entwicklungen möglich sind, wenn auf der Basis eines psychodynamisch-integrativen Krankheits- und Behandlungskonzeptes ein multimodales Behandlungskonzept mit Integration psychodynamischer, systemischer und sozialtherapeutischer Verfahren und einem intensiven, multiprofessionellem und kontinuierlichem Beziehungsangebot mit entsprechender Verweildauer angeboten und sektorübergreifend umgesetzt wird.
– Diskussion
* PV 1.8 – Logenhaus, Raum 2, DG
Computersimulation der Psychoanalyse
Moderation: Bernhard Janta
(max. 40 Teilnehmer)
16:30 – 18:00 Uhr
Psychoanalyse evaluiert durch Simulation?
Das Projekt SiMA
– Diskussion
Dietmar Dietrich
Zur Entwicklung der Psychoanalyse verwendete Sigmund Freud Methoden, die erstaunlicher Weise große Parallelen hinsichtlich der technischen Informationstheorie zur Computertechnik aufweisen. Für mich als Computerwissenschaftler liegt vor allem in der Entwicklung seiner Methoden Freuds Genie. Warum bringt man beide Wissenschaftstheorien nicht zusammen? Sigmund Freuds Wunsch war von Anfang an, die Psychoanalyse in der Naturwissenschaft zu verankern.
1999 initiierte ich deshalb an der TU Wien ein Projekt, heute bekannt unter dem Namen SiMA (Simulation of the Mental Apparatus and Applications), in dem derartige Gedanken verfolgt werden. Zum einen interessiert uns, wie die Psyche funktioniert, um menschliche Denkmuster auf Computer übertragen zu können. Zum anderen wollen wir erforschen, wie psychoanalytische Theorien über computertechnische Informationstheorien evaluiert werden können. Nun ist ein weiterer Gesichtspunkt hinzugekommen. Im letzten Jahr wurde die Frage aufgeworfen, wie das menschliche Selbst widerspruchsfrei in das bis heute erarbeitete psychoanalytische Modell integriert werden kann.
Über all diese Entwicklungen will ich berichten.
Ausgangspunkt aller Forschungsprozesse in SiMA sind von Psychoanalytikern konstruierte, sehr simple Fallbeispiele, in denen bewusste und unbewusste Abläufe der Psyche nachempfunden werden. Anfang dieses Jahres konnte erstmalig nachgewiesen werden, dass diese Fallbeispiele im Computer simulierbar und damit auf strenger naturwissenschaftlicher Basis nachprüfbar sind, ohne Hilfswerkzeuge der Statistik bemühen zu müssen. Damit wird deutlich, dass langfristig auch komplexere Theorien der Psychoanalyse in Simulationsexperimenten evaluiert werden können. Zudem wäre es auf diese Weise möglich, eine entscheidende Weiterentwicklung zur Nachweisbarkeit psychoanalytischer Behandlungserfolge auch auf naturwissenschaftlicher Basis einzuleiten.
Umgekehrt ist es genauso vielversprechend, die psychoanalytischen Theorien in der Technik, z. B. für die Energieeinsparung, anzuwenden. Projekte mit dieser Zielsetzung wurden schon genehmigt und stehen teilweise vor dem Abschluss.
* PV 1.9 – Logenhaus, Raum 3, DG
Offene AG der Vertrauensleute
Moderation: Brunhilde Schmieder-Dembek
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Wege aus der Grenzverletzung
Andrea Schleu, Veronika Hillebrand
Anhand von kasuistischem Material aus den Beratungen des Ethikvereins werden verschiedene Konstellationen von Grenzverletzung dargestellt und schwerpunktmäßig die Hilfen für die Betroffenen, Schritte zur Lösung der Verwicklungen und die Problematik von Folgetherapien diskutiert, um jenseits von persönlichen und institutionellen Widerständen den professionellen Umgang mit Fehlern und Grenzverletzungen weiterzuentwickeln.
– Diskussion
Ausgehend vom Vortrag soll die Gruppe daran anschließend in Fortsetzung der AG auf der Tagung 2014 erneut eigene Erfahrungen in ethischen Grenzsituationen einbringen und diskutieren können. Neben allen übrigen Mitgliedern sind Vertrauensleute der Institute, Mitglieder der Schiedskommissionen, in den Kammern im ethischen Bereich tätige Kollegen sowie Kandidaten willkommen.
* PV 2.0 – Logenhaus, Loge 1, EG
Körper und Migration
Moderation: Ingrid Rothe-Kirchberger
(max. 80 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Transkulturelle Dialoge: Der Körper als Vermittler unbewusster Botschaften in der analytischen Sitzung
– Diskussion
Monika Englisch, Sanja Hodžić
Die transkulturelle Erfahrung eines Menschen in der Migration lässt sich als Ergebnis eines mehr oder weniger gelingenden Dialoges zwischen seinem Ich und dem unbekannten Du der aktuellen kulturellen Umgebung verstehen. Dieser Dialog enthält einen gewissen Grad an Fremdheit, der sich im Extremfall in eine Bedrohung seiner Identität verwandeln kann. Seine psychische Verletzlichkeit kann sich zusätzlich dadurch verdichten, dass ihm sein vertrautes linguistisches System und seine vertrauten kulturellen Symbole nicht zur Verfügung stehen, da sie weder in der neuen kulturellen Umgebung, noch in der analytischen Beziehung repräsentiert sind. Daher kommt dem körperlichen Ausdruck im psychoanalytischen Dialog eine besondere Bedeutung zu – als Medium, dass dem Gegenüber schwer verständliche Botschaften übermitteln kann. Der Vortrag geht auf das Auftauchen des Körpers in der analytischen Sitzung ein, das nach den Überlegungen von R. Lombardi deutlicher wahrgenommen und in die analytische Bearbeitung einbezogen werden könnte. Die Wechselwirkungen zwischen Körper und Geist anzuregen und zu reflektieren erscheint viel versprechend, um Entwicklungsprozesse transkultureller Identitäten besser zu verstehen. Ein Fallbeispiel soll dieses Geschehen anhand eines ‚körperlichen’ Dialoges und seiner Untersuchung auf der Ebene von Übertragung und Gegenübertragung anschaulich machen.
* PV 2.1 – Logenhaus, Loge 2, EG
Körper-Psychotherapie
Moderation: Gerold Hiebsch
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Die Einbeziehung des körperlich-seelischen Ausdrucksgeschehens in die analytische Psychotherapie aus drei unterschiedlichen Perspektiven
Gabriele Poettgen-Havekost
Durch die Forschungsergebnisse der Säuglings- Kognitions- und Hirnforschung und deren Einbeziehung in theoretische Weiterentwicklungen der Psychoanalyse haben sich veränderte Auffassungen vom Unbewussten und über die Repräsentationen von Erfahrenem herausgebildet. Das Forum möchte sich mit der Frage beschäftigen, wie sich letztere im intersubjektiven impliziten Austausch zwischen Analytiker/in und Patient körper-sprachlich, szenisch manifestieren und in welcher Form sie aufgegriffen werden können. Dabei werden das herkömmliche psychoanalytische Setting und mögliche Modifikationsmöglichkeiten im Sinne einer Erweiterung des (Be-)Handlungsraums diskutiert. Anhand eines Fallbeispiels (ggf. eines schon veröffentlichten) können unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit dem senso-motorisch sich manifestierenden impliziten Handlungswissen und Möglichkeiten der Bewusstwerdung betrachtet und durchgespielt werden. Dabei soll es nicht um ein Richtig oder Falsch gehen, sondern um eine Diskussion, die sich mit Formen der Erreichbarkeit körperlich-seelischer Phänomene befasst. Interessant scheinen in diesem Zusammenhang auch die Behandlungen von Patienten, die durch Traumatisierungen in ihrer Mentalisierungsfähigkeit eingeschränkt sind und die Geschichte ihrer Traumatisierung in Form von Körperinszenierungen mitteilen. Übergeordnet stellt sich jedoch zunächst die Frage, inwieweit körperliche Ausdrucksformen oder Körper-Sprachliches als eine andere Kategorie des seelischen Ausdrucksgeschehens in den Fokus des Erlebens und der Bewusstwerdung von Analytiker/in und Patient/in gelangen und inwieweit die unterschiedliche Erlebnisqualität von semantisch-lexikalischer Sprachebene und körperlich Empfundenem bzw. ihrem Miteinander- Verflochten-Sein in die Behandlung einfließen kann.
Sebastian Leikert
Der Begriff des Kinästhetischen beschreibt die Strukturen des Präverbalen und zeigt auf, dass sich dieser Bereich außerhalb der Sprache keineswegs im Chaotischen verliert, sondern eine eigenständige Grammatik – die kinästhetische Semantik im Gegensatz zur sprachlichen Semantik - aufweist. Es wird beschrieben, in welcher Weise diese Strukturen die klinische Arbeit in jedem Augenblick mitprägen. Auch wenn in einem relativ klassisch analytischen Setting ohne Modifikation der Couch-Situation gearbeitet wird, kann dieser Aspekt ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt werden und die klinische Reflexion und Behandlungstechnik bereichern.
Günter Heisterkamp
* PV 2.2 – Logenhaus, Loge 3, EG
Forum Neuapprobierte
Moderation: Christiane Grammel, Ariane Heeper
(max. 25 Teilnehmer)
16:30 – 18:00 Uhr
Nachwuchs-Psychoanalytiker zwischen Existenzsorgen und Zukunftsperspektive
– Diskussion
Nach der langjährigen psychoanalytischen Aus- bzw. Weiterbildung stellt der Übergang zum Berufseinstieg als PsychoanalytikerIn oft nochmals eine sehr schwierige Phase dar. Wir möchten mit diesem Forum einerseits gezielt informieren und verschiedene Perspektiven aufzeigen, andererseits auch Forum zum anregenden und entlastenden Austausch schaffen. Der überregionale Rahmen soll genutzt werden, um sich frei von lokalen, evtl. nach der Ausbildung entstehenden und ebenfalls belastenden Konkurrenzsituationen, zu den schwierigen Themen des psychoanalytischen Nachwuchses auszutauschen. Der unterstützende Halt der entstandenen Gruppe Gleichgesinnter, aber auch anregende neue Impulse Anderer, sollen dabei einen unseres Erachtens wichtigen Beitrag zur Psychohygiene von uns "Jung-PsychoanalytikerInnen" leisten. Ausdrücklich sind zur Gruppe auch KandidatInnen eingeladen, die sich mit Existenzsorgen, Zukunftsängsten und ähnlichen Themen „plagen" und darüber austauschen möchten.
* PV 2.3 – Konzertsaal der Universität der Künste
Psychoanalyse und Film
Moderation: Wolfgang Enke
(max. 1200 Teilnehmer)
14:30 – 18:00 Uhr
Sexualität als Beziehungsabwehr – der Film „Shame“ von Steve McQueen
– Diskussion
Wolfgang Enke
Der attraktive Mittdreißiger Brandon (Michael Fassbender) arbeitet in der New Yorker Werbebranche, eine elegante, aber kühle und trostlose Welt oberflächlicher Beziehungen. Brandon ist vereinsamt. Seinen einzigen Halt scheint er in seiner heimlichen Sexsucht zu finden, in obsessivem Konsum von Pornos, zwanghafter Masturbation oder autistisch wirkendem Sex mit Zufallsbekanntschaften und Prostituierten. – Die zur Sucht pervertierte und missbrauchte Sexualität führt nicht zum Objekt, sondern dient im Gegenteil der Abwehr von Beziehung. Durch den Besuch seiner Schwester wird sein labiles Abwehrkonstrukt aufgebrochen, eine Abwärtsspirale kommt in Gang ... oder doch eine positive Entwicklung?
„Shame“ aus dem Jahr 2011 ist Steve McQueens zweiter Film. Einem breiten Publikum ist der britische Fotograf, Videokünstler und Regisseur 2014 mit dem Oscar-prämierten Werk „Twelve Years a Slave“ bekannt geworden. Der Filmtitel kann als programmatisch für sein bisheriges künstlerisches Werk gesehen werden: Steve McQueens Thema ist der versklavte Mensch, der unterworfene und missbrauchte Körper. Als „embedded artist“ nahm er am Irak-Krieg teil und würdigte 155 gefallene britische Soldaten in einer Bilderserie. Sein erster Spielfilm „Hunger“ (2008) zeigt uns die letzten Lebenswochen des im Hungerstreik gestorbenen IRA-Häftlings Bobby Sands. In „Shame“ befinden sich die Protagonisten in inneren Gefängnissen und Gewaltverhältnissen, deren individuelle traumatische Wurzeln und deren gesellschaftliche Bedingungen indes nur angedeutet werden.
* PV 2.4 – Logenhaus, Raum 1, DG
AG Versorgungsforschung/Methodenseminar
Moderation: Silke Wiegand-Grefe
(max. 40 Teilnehmer)
14:30 – 16:00 Uhr
Methodik der Versorgungsforschung – Praxisbeispiele
– Diskussion
14:30 – 18:00 Uhr
16:00 – 16:30 Uhr
Pause für alle Veranstaltungen am Samstag
Sonntag, 04. Oktober
Konzertsaal der Universität der Künste
Moderation: Beate Unruh
09:30 – 10:30 Uhr
Resonanz im Körper des Analytikers
– Diskussion
Ursula Volz-Boers
Was tun, wenn wir als AnalytikerInnen in der Arbeit mit unseren PatientInnen Atemnot oder Schmerzen empfinden? Oder körperliche Leichtigkeit und Lachen erleben? Das Mitschwingen im Resonanzraum unseres Körpers berührt die Erlebnisebene des nichtrepräsentierten, impliziten Beziehungswissens. Den Körperempfindungen zu folgen und Worte für sie aufkommen zu lassen, transformiert das sensomotorische Erleben in Gefühle, Phantasien, neues Verstehen und heilsame Erfahrungen in der Übertragung. Fallbeispiele aus hochfrequenten Einzelanalysen und aus Gruppenanalysen veranschaulichen den Umgang mit der Resonanz im Körper der Analytikerin.
10:30 – 11:00 Uhr
Pause
11:00 – 12:00 Uhr
Maintaining a mentalizing mind in the storms of adolescence presenting with self harm and other crisis.
– Diskussion
Trudy Rossouw
The stormy waters of the adolescent mind can easily create storms in all around them with high affect and hence limited ability to make sense of what is going on. Action and re-action becomes the currency of relationships with the associated subsequent escalation of affective arousal and further deterioration in ability to think. These states are often well associated with adolescent self harm or other forms of crisis behaviour. Underneath the storm often hides a frightened, lonely and lost young person who can very easily get lost in the storms in the relational sea. This talk is about how mentalization can be used as a technique to make sense of these states and how it can be deployed therapeutically to help young people and their families recover. The talk will also refer to evidence which supports the model.
12:00 – 13:00 Uhr
Traumkörper und Traumsprachen in der Moderne
– Diskussion
Andreas Mayer
Die Entstehungsgeschichte der Technik der freien Assoziation wird gemeinhin in einem der beiden Kontexte verortet, in denen Freud sie selbst nachträglich eingereiht hat : entweder in der Klinik oder in der Literatur. Diese Form der Historisierung abstrahiert weitgehend von den diversen konkreten materiellen und sozialen Praktiken sowie den « Techniken des Körpers » (M Mauss), die mit diesen mentalen Techniken verknüpft sind. In meinem Vortrag werde ich daher zweierlei vorschlagen: zum einen eine Erweiterung der Geschichte der Assoziationstechnik auf andere Kontexte, zum anderen eine Historisierung, die sich im Rahmen einer Anthropologie des Wissens der Frage nach der Rolle des Körpers bzw. der Verkörperung zuwendet.
13:00 – 13:15 Uhr
Verabschiedung
Im Anschluss:
Ausgabe der Zertifizierungen
Die Psychotherapeutenkammer Berlin hat die Jahrestagung als Fortbildungsveranstaltung gem.
§ 95 d SGB V anerkannt und mit 12 Fortbildungspunkte (3/ 6/ 3) zertifiziert.
Entsprechende Teilnahmebescheinigungen erhalten Sie am Ende der Tagung gegen Abgabe Ihres persönlichen Barcode-Aufklebers oder nach Eintrag in die Unterschriftslisten im Tagungsbüro.